Hans-Joachim Wolfram / Außenseiter - Spitzenreiter
Inzwischen ist Hans-Joachim Wolfram selbst "Spitzenreiter": nur das Sandmännchen
überlebte die Wende so unbeschadet wie er. Seine Sendereihe "Außenseiter -
Spitzenreiter", erste Folge am 18. Juni 1972, eckte beim Start im Juni 1972
schon mit dem ironischen Titel an. "Außenseiter" hatten in der sozialistischen
Gesellschaft keinen Platz. Das "Neue Deutschland" kündigte die Sendung nur
mit "Spitzenreiter" an. Das monatliche Magazin, bei dem sich alles um verschrobene
Rekorde und Skurrilitäten drehte ("Wie sieht ein Keuschheitsgürtel aus?",
"Trinken Kühe Milch?"), gestaltete Wolfram zusammen mit seinem Partner Hans-Joachim
Wolle. Die Sendung war auch wegen ihres Untertitels bei der Leitung unbeliebt:
"Kundendienst für Neugierige". "Neugierde" war was Kapitalistisches. "Neugierig"
war auch derjenige, der anfing, alles zu hinterfragen. Wolfram scherte sich
nicht darum, verabschiedete sich weiterhin mit "Bleiben Sie schön neugierig!"
Die gezeigten Spitzenleistungen hatten häufig einen subversiven Einschlag:
Der von Hunderten von Kehlen angestimmte Kanon entpuppte sich als verkappte
Kritik an Versorgungsmängeln. Die 40 Meter lange Schlange vor einem Dresdener
Bäckerladen hatte Wolfram kurzerhand in drei Flügel eingeteilt. "Wachet auf,
wachet auf, es krähet der Hahn" hörte man bald den Chor der Schrippensteher.
"Politisch instinktlos!" urteilte die Fernsehleitung hernach.
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